Meine Große hat zur Zeit ein so gesundes Selbstbewusstsein, dass es sie nur mittelmäßig beeindruckt, wenn ich ihr ganz ernst sage, dass dieses oder jenes nicht geht. Dass sie bitte sitzenbleiben soll auf ihrem Stuhl, statt aufzustehen und über den Tisch zu krabbeln (kleiner Wink an einen guten Freund: Das hat sie bestimmt von dir, weil
du mit ihr vor Monaten das Über-den-Tisch-Laufen geübt hast... nur Spaß). Auch soll sie dann unsere Lampe überm Tisch "nur gucken, NICHT anfassen". Manchmal könnte ich genauso gut nichts sagen. Vor wenigen Wochen habe ich mir sogar einen Ratgeber gekauft. Das allerdings in erster Linie, weil ich einen Trick wissen wollte, wie ich ihr das Baden erleichtern könnte.
Im Sommer haben wir nämlich beim ersten Freibadbesuch eine Dreiviertelstunde am Beckenrand gesessen, um ihren Fuß(!) ins Wasser zu bekommen... Zu diesem Thema fand ich dann leider nichts Hilfreiches (immer her mit euren Ratschlägen), aber der Rest klang in Puncto Erziehung sehr vielversprechend. Beispielsweise so klar wie möglich auszudrücken, was man von dem Kind möchte, und nicht nur sagen, was man nicht möchte. Also, klassisches Beispiel, "Bleib auf dem Bürgersteig" statt "Nicht auf die Straße!". Oder "Sitzenbleiben/Hinsetzen!" statt "Nicht hinstellen!" Vieles habe ich davon übernommen, aber so richtig juckt das meine schlaue Eineinhalbjährige nicht. Sie grinst dann bloß breit oder "überhört" es einfach. Vielleicht ist es einfach das Alter, in dem man gerne ausprobiert, was man alles so darf und was nicht. Und wenn man heute was nicht darf, heißt das ja schließlich nicht, dass es morgen genauso sein muss... Oder?
Allerdings hat mir das Wissen aus dem Buch heute einen sehr schönen Lichtblick mit der Großen verschafft und wieder einmal gezeigt, dass Kinder uns wirklich beim Wort nehmen. Ohne das Wissen aus dem Buch wäre es mir vielleicht gar nicht aufgefallen. Als nichts mehr half und die eingeladene Freundin und ich uns keinen vollständigen Satz lang mehr unterhalten konnten (das werden viele Mütter wahrscheinlich auch kennen), nahmen wir die Kinder und gingen raus. Ich zog meiner Großen absichtlich keine Schuhe an. Sie trug warme Socken, es war sehr mild und nur für den Kinderwagen Schuhe anziehen und hinterher wieder ausziehen... Nee. Sie sollte ja nicht rumlaufen, das hätte ich heute nicht hinbekommen. Mit der Kleinen im Tragetuch, zu wenig Schlaf und einem sehr aktiven Kind, das wahrscheinlich nicht hätte wieder einsteigen wollen. An der Kanalpromenade. Nein. Emilia machte aber nach einiger Zeit deutlich, sie wolle aussteigen und laufen. Ich erklärte ihr, dass sie nur Socken anhabe, ich keine Schuhe für sie dabei hätte und sie deswegen nicht herumlaufen könne. Daraufhin zog sie sich einen Socken aus, zeigte wieder auf den Weg und auf ihren Gurt und nickte eifrig. Dass sie
ohne Socken auch nicht herumlaufen dürfte, hatte ich ihr schließlich nicht gesagt...
So sehr ich über dieses Erlebnis auch noch immer grinsen muss, frisst es so langsam doch an meinen Nerven, dass ich an so vielen Enden an meine Grenzen stoße. Körperlich regelmäßig mittags und abends total erschöpft, das Hin und Her zwischen den Kindern, die Erziehung der Großen, die Gedanken darüber, ob die Kleine zu oft nur nebenher läuft, daneben noch ein Haushalt, der gemacht werden möchte und das Gefühl, zu nichts mehr für sich selbst zu kommen. Und da heute mal wieder alles noch anstrengender war und (gefühlt) die ganze Welt gegen mich, wollte ich mich eigentlich mit diesem Post bei euch ausheulen und mich selbst bemitleiden.
Gott sei Dank hat mich mein Mann angerufen und mein Frustablassen unterbrochen - was dann leider dazu führte, dass
er alles abbekam. Er sagte mir richtigerweise, dass wir seine Pause auf der Arbeit so nicht verbringen sollten, ich mal ruhig durchatmen sollte, um dann zielführender weiterzureden. Dem stimmte ich zu, um dann nach einem dicken ABER weiterzuschimpfen. Oh je... Gott sei Dank habe ich einen sehr geduldigen Ehemann, der sich mein Durcheinanderwerfen von Fakten anhört und dann richtig stellt und mich zur Besinnung bringt. Ich rede nämlich zu wenig. Glaubt man kaum, so als Frau. Aber ich denke mir meist nur meinen Teil, ziehe Schlüsse und handle dann entsprechend, ohne auch nur ein Wort mit ihm darüber geredet zu haben, ob das so überhaupt Sinn macht.
Wenn er zum Beispiel sagt "Ich muss dann und dann auf der Arbeit sein und würde gerne vorher noch warm essen", denke ich, ich müsste dafür sorgen, dass er das kann, und auch Mittagessen kochen, ihn zeitig wecken, ihm die Kinder vom Hals halten usw. Habe aber nebenher noch weitere Aufgaben in meinem Kopf, die gemacht werden wollen, die ich meinem (gerade sehr viel) arbeitenden Mann nicht auch noch aufdrücken will. In meinem Kopf entsteht dann aber schon wieder Panik, das alles nicht zu schaffen, weil das zeitlich gar nicht zu schaffen ist. Noch weiß mein Mann aber gar nichts von den Aufgaben (könnte er sich ja schließlich denken...), wenn ich ihm dann vorwerfe, dass das alles überhaupt nicht geht, sich alles nur um ihn dreht und er NIE (dieses Wort sollte man aus einem Streitwortschatz streichen, genau wie
immer...) an mich denkt. Wie auch, wenn ich ihm gar nichts von mir erzähle und nicht
mit ihm nach Lösungen suche, sondern nur
für ihn und uns entscheide und dann überfordert bin. Ihm vorwerfe, dass
er mich überfordert, obwohl er mir gar keine Aufgaben zugewiesen hat. Ich habe mal zum Thema Kommunikation ein Seminar mitgemacht, da ging es auch um Menschen, die aus allem einen Appell heraushören...
Jedenfalls haben wir dann am Ende doch einen gemeinsamen Plan gefunden, den Alltag zu schaffen mit den Kindern, mit dem wir beide gut zurechtkommen. Weil wir beide gesagt haben, was uns wichtig ist, und dann
gemeinsam nach Möglichkeiten gesucht, das in Einklang zu bringen. Und der Plan ist ziemlich gut, finde ich. Ab morgen wird er praxiserprobt.
Ich bin Gott sehr dankbar für diese Wendung des Abends. Wie gut zu wissen, dass Gott uns in Jesus vergibt, auch immer und immer wieder für die gleichen Verfehlungen. Und wie gut, dass er uns Stück für Stück in bessere Menschen verwandeln kann, unsere Herzen verändert, uns schleift, damit wir zu funkelnden, reinen Diamanten werden können. Einfach nur, wenn wir uns ihm hingeben. Und Gott, danke für meinen großartigen Ehemann. Und danke für unsere Kinder. Ich weiß, dass sie am Ende einen guten Weg gehen werden, weil du ihr Leben in deiner Hand hältst. Und danke, dass du mir trotz aller Anstrengungen so viel Liebe für sie schenkst.
Wie geht es euch? Erlebt ihr gerade ähnliche Zeiten? Wie geht ihr damit um?