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Mein Herz ist in den vergangenen Wochen gebrochen, mehrmals. Der Moment, wenn eine Nachricht mich erreicht hat: per Telefon, über die Nachrichten im Radio, per SMS. Der stille Moment der Erkenntnis und des Realisierens, einen Atemzug lang aussetzen, das kleine Klicken im Brustkorb - das ist der Augenblick, in dem mein Herz gebrochen ist.
Gestern Abend war mein Herz besonders schwer und beladen mit all dem, was gerade passiert. Mein Herz leidet mit den Menschen, die die Anschläge in Paris erlebt haben. Mein Herz leidet mit denen, für die jeder Tag ein 13. November ist, Menschen in Syrien, im Irak. Mein Herz leidet mit all den Freunden in meinem Leben, die gerade schwere persönliche Zeiten des Zerbruchs und des Schmerzes durchmachen müssen. Mein Herz leidet mit Mitgliedern meiner Familie, die ungeahnten körperlichen Problemen gegenübertreten müssen. Mein Herz leidet mit all den Menschen und den Kindern, die irgendwo im Niemandsland oder in Turnhallen schlafen, frieren und nicht weiter wissen. Die Welt, so scheint mir, ist so durchtränkt von Blut und Tränen und Leid, dass mein Herz nicht anders kann als Brechen. Hundertmal und dann noch einmal. Mein Herz ist aufgerieben und schwer und wund. Und ich sehne mich nach nichts mehr als nach Erleichterung. Befreiung. Erlösung. Endlich nach dem Morgen nach einer dunklen, dunklen Nacht.
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Aber wo finde ich das in dieser Welt? Wenn ich aus der Klinik nach Hause fahre, mit beladenem Herzen, wie kann ich dann Zerstreuung finden, wenn ich das Radio anschalte und Nachrichten aus der Welt höre? Klar, ich kann ausschalten, weghören, aber die Worte würden in meinem Ohren nachhallen. Wenn ich schreckliche Nachrichten gehört habe, kann ich zu einem anderen Menschen gehen und dort alles lassen? Solange bis dessen Herz schwer und wund und beladen ist? Auch das geht nur begrenzt. Und ultimativ kann mich dieser Mensch nicht erlösen und mir diese Sehnsuchtsworte sagen können "Es wird alles gut." Er kann es ja doch nicht wissen. Es ist, als sei ich gefangen an einem Ort, den ich verabscheue und doch nicht verlassen kann.
Wo finde ich endlich Erleichterung? Wer nimmt mir den Schmerz? Wo ist der Ort, an den ich gehen kann, wo ich all das loswerden kann, rausschreien, rauswimmern kann? Wo ist der Ort, an dem ich frei werde, von all dem Mist, von all dem Zerbrochenen, von all dem Blut und von all den Schmerzen?
Auch die gutgemeinten Worte "Werfe deine Sorgen auf Gott, er trägt sie für dich" halfen nicht. Ja, sie sind ja wahr, aber was ist, wenn ich es nicht so fühlen kann? Ich schrie und ich war wütend, weil Gott das nicht wegnahm, was mich so belastete. Weil er nichts an den Situationen der Flüchtlinge, der Kriegsgebiete, der geliebten Menschen im Krankenhaus geändert hat. Weil einfach alles so geblieben ist und ich mich kein Stück erleichtert, befreit oder erlöst fühlte. Gleichzeitig beschlich mich die Angst, dass vielleicht selbst Gott mir nicht sagen kann und wird, dass auf dieser Welt schon alles gut gehen wird.
Bis ich eines Morgens las: Ich weiß, wie es ist.
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Über Jesus schreibt die Bibel: "Er wurde verachtet und von den Menschen abgelehnt - ein Mann der Schmerzen, mit Krankheit vertraut, jemand, vor dem man sein Gesicht verbirgt. Er war verachtet und bedeutete uns nichts. Dennoch: Er nahm unsere Krankheiten auf sich und trug unsere Schmerzen." (Jesaja 53,3-4, NL)
Jesus weiß, wie es ist.
Wenn mein Herz schon bricht, bei dem begrenzten Blick, den ich auf die Welt und das Leben habe - wie viel mehr muss das Herz dessen brechen, der sie geschaffen hat? Der jeden Spatz sieht und der jeden Menschen kannte, kennt und kennen wird? Wenn ich schon die Wucht des Bösen und Grausamen erfahren kann, wie viel mehr muss er sie spüren und empfinden, er, der nur Liebe ist? Wenn ich über all das Schreckliche klage, was ich höre, sehe und in begrenztem Maße selbst erlebe, wie viel mehr muss der Grenzenlose weinen, schluchzen, zerbrochen sein, der das alles nicht nur sieht, sondern selbst durchlebt hat?
Ich glaube an einen Gott, der nicht lächelnd auf seiner Wolke weitab von all dem Elend und Chaos hier thront, sondern an einen Gott, der mitten unter uns ist, der in den Flüchtlingsheimen sitzt, der am Krankenbett auf der Intensivstation wacht, der im Café in Paris saß. Ich glaube an einen Gott, dem das Elend der Welt nicht egal ist und an dem der Schmerz nicht abperlt. Sondern an einen, der es näher an sich heranlässt, als wir es jemals ertragen könnten. Gott kann leiden. Was mich berührt, berührt ihn auch. Und zwar noch viel mehr. Wenn mein Herz 101 mal zerbricht, dann seines noch einmal mehr.
Gott kann für uns leiden. Er kann mit uns leiden. Es kann das und tut das, weil er uns liebt.
Inmitten der Trauer und des Schreckens der vergangenen Zeit halte ich mich trotz Allem an diesen Gott, der voller Mitgefühl und Liebe für jeden Menschen ist. Der uns bedingungslos liebt, auch denjenigen, der die schrecklichsten Dinge tut und der möchte, dass genau dieser jene zu ihm zurückkommt, endlich nach Hause kommt. Ich folge diesem Gott der Liebe nach in einer Welt voller Schmerz und Hass und Ungerechtigkeit. Und ich bin auf eine tiefe Art und Weise diesem Gott dankbar, dass er meine Brille geputzt hat, dass er mir zugetraut hat, in die Abgründe der Welt zu sehen. Dass er mich darin nicht alleine gelassen hat, sondern mit mir saß und weinte. Dass er mit mir mittendurch all das gehen wird. Vor mir hergehen wird.
Diese Erkenntnis machte mein Herz nicht unbedingt leichter, freier, erlöster. Aber auf eine Art, die ich mir nicht erklären kann und die ich nicht geahnt hätte, gibt sie mir Kraft und Stärke, nicht im Schmerz zu versinken. Sondern umso tiefer und echter betend für Veränderung einzutreten.
Ja, Herr, erlöse uns von dem Bösen. Bitte. Denn du weißt, was das Böse ist, noch viel mehr, als ich es weiß. Und du willst es genauso wenig, wie ich es will. Dein Reich der Liebe, Gnade und des Friedens komme.
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